Dienstag Vormittag, draußen schneit’s grad Hund’ und Katz’ vom Himmel und drinnen schaut meine eineinhalbjährige Tochter einen ihrer zwei Lieblingsfilme: Wall-E. Zumindest 10 Minuten bleibt sie dabei sitzen, dann ist ihr meist eh schon zu fad und sie will auf Mamas Schoß.
Wer Wall-E kennt, weiß, dass es sich um einen kleinen Müll-Aufräum-Roboter handelt, der (leicht anachronistisch) auf einer vereinsamten Erde zusammenräumt, nachdem die Menschheit vor ein paar Hundert Jahren einfach ins All abgedüst ist. Der Planet hatte nix mehr hergegeben, der Boden ist trocken und braun, die Erdatmosphäre voll von Satellitenmüll. Die Menschen haben sich wörtlich aus dem Staub gemacht.
Keine Angst, die Geschichte nimmt ein gutes Ende: Die verfetteten, wabbeligen Menschen kehren zurück und beleben den Planeten neu. Dank eines kleinen Pflanzenkeims und der Hilfe des naiven und herzigen Wall-E und seiner cleveren Freundin Eve. Ende gut, alles gut. Bleibt nur zu hoffen, dass es in der Realität eines Tages nicht so weit kommt.
Dass es soweit kommen könnte, soll uns gar nicht verwundern. Wenn wir uns in unserem Zuhause umsehen, im Auto, im Büro: Überall Dinge, Zeug, Ramsch, clutter. Wir sammeln und horten was das Zeug hält: CDs, Bücher, Spielsachen, Kleider die uns nicht mehr passen, Geschirr für drei Haushalte, alte Zeitschriften, Papierln; auch im digitalen Leben sammelt sich einiges an: die Festplatte ist zugekleistert mit Fotos, die niemand anschaut (weil sie 10 Mal das gleiche verschwommene Bild zeigen), kryptischen Word-Dateien und zu vielen Tools, die ständig nach unserer Aufmerksamkeit gieren.
Und die Fortsetzung findet sich schließlich auch in unserem sozialen Leben, in unseren Beziehungen mit Familie, Freunden und Bekannten. Wie viele Facebook Freunde habe ich? 312? (Und es waren schon mal mehr) Und wie vielen Seiten folge ich? Und wie viele Newsletter trudeln jeden Tag in meine Inbox ein? Wie viele Menschen davon kenne ich “wirklich”? Und was ist mit den Banden, die ich zu alten Freunden oder Bekannten aufrechterhalte, auch wenn wir nichts mehr miteinander gemeinsam haben? Menschen, die mir eigentlich nicht gut tun, die Zweifler, die Nörgler, die Pessimisten.
Umso befreiender ist es dann, in einem Rausch von Frühjahrsputz den Kasten auszuräumen und zwei Drittel der nie getragenen Röcke und zu eng gewordenen Hosen auszuräumen und ins Mutter-Kind-Haus der Caritas zu bringen. Oder beim Einrichten eines neuen Zimmers den Kinderspielpark in der Wohnung auf ein Wesentliches zu reduzieren. Newsletter abmelden statt jeden zweiten Tag ungelesen zu löschen. Eine soziale Inventur machen, sich von ungesunden Beziehungen verabschieden und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Menschen in seinem Leben haben.
Noch besser wäre es allerdings, dieses Zuviel, dieses Chaos, diesen Overload gar nicht erst entstehen zu lassen. Sondern bewusst Leerräume und -zeiten in unser sonst so quirliges Leben einzubauen: Eine freie Wand im Wohnzimmer (die dann nur für Yoga und Kinderturnen genutzt wird), weniger soziale Verpflichtungen am Wochenende (und mehr Zeit für Pyjamaparties oder spontane Besuche bei den Großeltern), ein kleiner Kleiderschrank, der in der Früh das Outfit-Suchen erleichtert.
Ich fange jetzt gleich an: Computer aus, Tochter aus der Wall-E-Traumwelt abholen und am Fenster den Schneeflocken zuschauen.