Wir lassen Varadero hinter uns und machen uns auf über die autopista und staubige Feldwege durch das kubanische Hinterland.
Aber Moment mal, alles nach der Reihe! Zuerst brauchen wir ein Auto! Eigentlich – das zeigt dann die Praxis – wäre es viel günstiger gewesen, für die paar Überlandfahrten spontan ein Taxi zu checken. Aber wenn man im durchorganisierten, herbstlichen Österreich sitzt und so eine Reise ins improvisationstalentierte Kuba plant, kann man sich nicht vorstellen, dass alles einfacher ist, als ein Auto zu mieten.
Immer eine Lösung parat
Am Weiterreisetag soll uns also wieder ein Van in Varadero abholen, der uns zum Flughafen bringt, wo wir unseren gebuchten Kombi abholen wollen. So der Plan.
Aber: Heute gibt es keinen Van. Mein Mann, der die letzten Stunden damit verbracht hat, das Chaos unserer Rucksäcke und Reisetaschen zu organisieren, macht kurz mal große Augen, als ein flamingorosa Cadillac vor unserer casa hält und unser Chaffeur aussteigt. “Wir haben ein Problem. Wo soll da unser ganzes Gepäck hin?” “Problem? In Kuba gibt’s keine Probleme”, grinst Jose, der Fahrer. “En Cuba hay soluciones para todo!” lacht er und verstaut mit einem ungläubigen Familienvater zwei riesige Rucksäcke und sämtliche Krimskramstaschen unserer vierköpfigen Reisegesellschaft im Kofferraum. Der Buggy nimmt von nun an vorne neben dem Fahrer Platz. Auch auf so mancher Fahrradtaxitour. Alles kein Problem.
Den Kindern taugt’s. Auf den 20 Kilometern zurück zum Flughafen flattern die lockigen Haare im Wind. Im rosaroten Cabrio über die autopista zum Flughafen cruisen. Ohne Helm und ohne Gurt: Mehr Style geht eigentlich gar nicht.
Mietauto oder Kubanisches Roulette
Am Flughafen lässt uns Jose beim Cubacar Office aussteigen. Hm, komisch, irgendwie steht da kein einziger Kombi auf dem Parkplatz. Welche Karre werden wir wohl heute abstauben?
Man hat uns schon vorgewarnt, wir sollten kein Auto akzeptieren als das von uns gebuchte. Theoretisch ein guter Plan. Aber wenn dann der gute Mann von Cubacar meint, wir hätten ja nur eine Kategorie und kein bestimmtes Auto gebucht und noch dazu über eine Agentur, mit der er eigentlich gar nix zu tun hat, dann müssen wir uns doch mit der Realität anfreunden. Er meint sogar, wir hätten Glück, in der Vorwoche hatte er einen Kunden da, der über die gleiche Agentur wie wir gebucht hatte und er hatte keine Bestätigung vorliegen. Der gutgläubige Urlauber durfte dann noch mal den gleichen Betrag bezahlen, um ein Auto zu bekommen.
Statt eines erwarteten flotten Ford Focus Kombi wird’s dann ein weißer, chinesischen Geely. Der Kollege vom Cubacar Office zeichnet eine ansehnliche Spur von X-en auf die Wagenskizze des Übernahmescheins. Jedes X markiert einen Schaden. Bei zehn höre ich auf zu zählen. Das Wichtigste: Die Türen lassen sich öffnen und schließen und auf der Rückbank gibt es funktionierende Gurte für die Sitzerhöhungen der Kids. Jedes zweite Mietauto auf der Straße sieht übrigens exakt gleich aus. Ob die Schlüssel wohl auch alle die gleichen sind?
Who knows. Auf jeden Fall, merke: Das nächste Mal nur direkt über Cubacar buchen und den Reservereifen immer über Nacht rausnehmen. Wieso? Auflösung am Ende der Reise …
Revolution für alle?
Nachdem wir die ersten, verschlafenen Polizeiposten hinter uns lassen und uns an die medizinballgroßen Schlaglöcher auf der Straße gewöhnt haben, wandern auch die Augen langsam links und rechts über die Landschaft. Auf unserer Fahrt von Varadero in den Süden führt uns die Straße vorbei an Feldern, grünen Wäldern und viel, viel brachem Land.
Dazwischen tauchen immer wieder riesige Schilder auf – politische Botschaften aus der Vergangenheit, die bis heute mit klugen Sprüchen und wachen Augen die Errungenschaften der Revolution preisen. “Alles was Sie hier sehen ist ein Werk der Revolution!” erinnert ein Plakat inmitten des Nationalpark auf der Península de Zapata die Besucher. Die Revolution hat vor über fünfzig Jahren die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zum plötzlichen Stillstand gebracht. Gleichzeitig hat sie Naturreservate wie dieses größte Sumpfgebiet der Karibik hier auf der Zapata-Halbinsel vor dem Raubbau und Massentourismus gerettet. Die Vögel und Krokodile freuen sich. Aber wie wird es für die Menschen weitergehen?
Wir fahren durch kleinere und größere Ortschaften wie Jagüey Grande, wo die Zeit vor 100 Jahren stehengeblieben scheint. Durch riesige Zitrusplantagen, vorbei an leerstehenden Arbeiterunterkünften und maroden Plattenbauten. Das Kuba der Kubaner, abseits vom Disneyland Varadero. Wie fühlt sich das an? Beklemmend und befreiend zugleich. Unsere Maßstäbe einer funktionierenden Konsumgesellschaft weit, weit weg. Die Uhren ticken langsamer. Und auch die Kinder schlafen – eingeschunkelt von der warmen Februarsonne – auf der Rückbank ein …