Heute ist ja eigentlich alles gefährlich (oder so weiß man jetzt zumindest): Gluten in der Frühstückssemmel, Aluminium im Deo, zu viele Autofahrten und Flugreisen. Feuchtfröhliche Trinkabende am Wochenende, Rauchen im Restaurant, Kinderbetten ohne Rund-Um-Rauskugel-Schutz.

Da verwundert es kaum, dass sogar schon auf Twitter Fragen auftauchen wie:

Wann ist das eigentlich passiert? Wann sind wir so angepasst geworden? Wie kommt es, dass wir heute offenbar nur noch damit beschäftigt sind, alles richtig zu machen, perfekt? (Mit Betonung auf “beschäftigt”, oder wann hast du das letzte Mal eine halbe Stunde lang einfach nur in die Luft geschaut?)

Vielleicht ist das unsere Angst vor dem Übermorgen. Keiner weiß wo uns die Entwicklung von CO2-Werten in der Atmosphäre und sich überschlagenden Bankenkrisen hintreiben werden. Sollten wir uns einen Bauernhof kaufen und hoffen, dass wir in 20 Jahren zu den glücklichen Selbstversorgern zählen? Lebensversicherungen auflösen und die ordentlich sortierten Euroscheine unterm Kopfpolster verstauen?

Ich weiß nicht, ob es unseren Eltern auch so ging, in ihren Zwanzigern und Dreißigern. Ich glaube aber nicht. Wenn ich mich erinnere, so waren sie damit beschäftigt, ihren Kindern etwas Warmes auf den Tisch zu stellen und vielleicht den nächsten Sommerurlaub zu planen. Aber die Welt sah irgendwie ungefährlicher aus.

Zerrissen zwischen den Möglichkeiten die wir haben (Was will ich werden? Was kann ich n o c h werden? Wie sähe mein perfekter Lebenslauf aus? Wo soll ich wohnen? Welche außergewöhnlichen Namen sollen meine Kinder haben?), bleiben wir oft sprach- und bewegungslos sitzen oder liegen. Trauen uns nicht, in eine Richtung zu gehen: Es könnte ja die falsche sein.

Da bleibt eigentlich nur eins: Drauf pfeifen. Drauf pfeifen, was “die Anderen” sagen. Drauf pfeifen, was dein Versicherungsmakler sagt. Drauf pfeifen, was übermorgen sein könnte, wenn die Welt untergeht.

Und ich spreche nicht davon, jetzt wie wild die Umwelt zu verpesten, das Sparbuch zu plündern und im nächsten Hotel ein Champagnergelage zu feiern. Aber davon, uns zu befreien. Von den netten zugeknöpften Uniformjacken, von dem Perfektionismus und vor allem von der Angst. Der Angst, das falsche Leben zu leben. Dieser Satz ist so abgedroschen, aber er trifft es einfach zu genau: Du hast nur ein Leben – also lebe es.

Gib alles. Gib deine Liebe, deine Energie, deine Kreativität, deinen Humor, deine Hilfe. Streck die Arme aus und lauf los. Fahr wieder mal freihändig auf dem Fahrrad. Spring aus einem Flugzeug und segle mit dem Fallschirm über bunte Felder. Kauf dir ein Zugticket und fahre an einen Ort, an dem du noch nie warst. Schenk dir eine große Tafel deiner Lieblingsschokolade und schließe sie in dein Abendgebet ein. Räum deinen Kasten aus und verschenke was du seit einem Jahr nicht mehr angeschaut hast. Ruf deine beste Freundin an und sag ihr, warum die Welt mit ihr ein besserer Ort ist. Finde verdammt nochmal den Job, der dich verdient hat. Und lach auch mal wieder über dich selbst.

Und wenn du alles gegeben hast, dann kommt noch viel mehr zurück.

Schenk dir Flügel. Mach dich leicht.

One thought on “Schenk dir Flügel”

  1. Hi,

    Flügel, ja die muss man sich selbst geben.

    Einfach im gestreckten Galopp stehen beleiben und sein Leben betrachten. Inne halten mit dem Jetzt. Gedanken über sich, seine Umgebung, seinen Nächsten, seinen Liebsten und sich evt. neu justieren um die Lust am Leben nicht zu verlieren. Bei allem auferlegten Pflichten sich das Recht für sich zu beanspruchen eine kleine Pause zu nehmen. Man braucht sie einfach.

    Danach sieht die Welt wieder runder aus oder auch nicht. Nur keine Angst, sonst wird der Berg vor dir zu groß und dann kommst du nicht drüber. Wie bei der ersten Hilfe. Du kannst nichts falsch machen, außer nichts zu tun.

    Es läuft nichts weg. Man versäumt nichts im Leben, sondern hat nur zu wenig bewusst gelebt. Zu wenig in sich aufgenommen. Vor allem bei seinen Kindern. Da verfliegt die Zeit und plötzlich stehen sie vor der Matura. Überall kann man nicht sein. Der innere Frieden wird uns immer steuern.

    Habe mich schon x-mal neu ausgerichtet. Es funktioniert.

    🙂

    LG der Alte

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