Als Fotografin beginnt mein Arbeitstag öfter mal erst dann, wenn andere schon dem Feierabend fröhnen. Das kann anstrengend sein. Es zeigt mir aber auch, dass ich eigentlich doch auch außerhalb der normalen Bürozeiten kreativ und vor allem produktiv sein kann. Und vor allem gibt es mir die Möglichkeit, Orte, an denen es sonst vor Menschen oder Stimmen wuselt, ganz still und für sich wahrzunehmen.
Ich bin ein Kind aus Margareten, dem 5. Wiener Gemeindebezirk. Ich bin also weder in einem berüchtigen Ghetto aufgewachsen, noch hatte ich einen supergrünen Hausberg vor der Tür. Aber der eine Fixpunkt im Grätzl – schon in meinen Kindertagen – das war der Naschmarkt. Damals noch mehr Markt als Naschen/Gustieren/Flanieren/Gesehenwerden. Und ein Sammelort für alle Bevölkerungsgruppen und -schichten: Die Standler vom Land, die Punks, die Drogensüchtigen auf der Suche nach Substi, die Flohmarktfeilscher und auch mein innigst geliebter Waluliso (heuer wäre er hundert geworden!).
Mit dem urigen Markt von damals hat die heutige Standlandschaft nicht mehr viel zu tun. Es wird geschlemmt, geschaut, man wählt zwischen Falafel, gefüllten Antipasti und Austern. Wenigstens frisches Sauerkraut gibt es noch und auch die österreichischen Bauern strecken ob der Markt”sanierung” ihre Fühler nach neuen Verkaufsmöglichkeiten rund um den Naschmarkt aus. Aber ich möchte nicht jammern: Auch der Naschmarkt soll und darf sich weiterentwickeln. Und wenn es mit einer ausgedehnten Fußgängerzone über die Wienzeile weitergeht, dann her damit!
Wenn sich dann Abends nach Ladenschluss das Touristen- und Gourmettreiben am Naschmarkt langsam auflöst; dann bleibt der Ort, der mich schon immer so verzaubert hat, nackt zurück. Und genau dann ist er am schönsten. Der Ort, an dem immer für alle Platz sein wird.