Guerillastricken war mir schon seit Längerem ein Begriff. Aber heute bin ich das erste Mal selbst über Strickgraffiti im öffentlichen Raum gestolpert:
Ich muss zugeben, seit ich aus dem Grätzel gezogen bin, lauf ich nicht mehr jeden Tag auf der Mariahilfer Straße herum. Kann also durchaus sein, dass die wollige Verkleidung dieser Holzpfosten schon länger dort ihre Blicke auf sich zieht.
Was ich recht passend finde: Genau das Gerüst vor der dortigen Sewa-Filiale ist Schauplatz dieser farbenfrohen Installation. Ist Sewa doch von jeher schon so ein Exot zwischen Ramschladen und Esoteriktempel. Waren’s vielleicht zuletzt gar die Sewa MitarbeiterInnen, die der blöden Baustelle vor ihrem Haus ein freundliches Gesicht verliehen haben?
Aber gehen wir einen Schritt zurück: Was zum Kuckuck ist denn das, bitteschön, Guerilla Stricken?
Unter den Bezeichnungen Guerilla Knitting, Urban Knitting, Yarn bombing (mein persönlicher Favorit) u.ä. versteht man “…eine Form der Streetart, bei der Gegenstände im öffentlichen Raum durch Stricken verändert werden. Dies kann vom Anbringen von gestrickten Accessoires bis zum Einstricken ganzer Stadtmöbel reichen. Die Knittings können lediglich der Verschönerung dienen oder auch eine symbolische Bedeutung haben, wobei häufig feministische Aussagen anzutreffen sind. (Wikipedia)
Soll heißen: Stricken zum Spaß, zur Bekämpfung der Langeweile auf öden, grauen Plätzen, die es austauschbar in jeder Stadt gibt, die mehr als 3.496 Einwohner hat. Stricken als Protest, Stricken als Meinungsfreiheit, Stricken als Kunst, Stricken because we can.
Fluffy on tour in Köln
NYC Wall Street’s Charging Bull eingestrickt von Olek
Yarn bombing auf der Blue Line in Philadelphia
Und nein, dieses Mal schlafen die WienerInnen wirklich nicht, ich hab’s anscheinend bis jetzt nur verschlafen: Jawohl, Guerillastricken gibt’s auch bei uns! Die strickistinnen sind ein Wiener Kollektiv, die sich der Bestrickung des öffentlichen Raumes verschrieben haben – verknüpft (hach!) mit politischen Botschaften. Gut so!
Ob die Strick-Installation vorm Sewa auch eine politische Note hat, kann ich jetzt nicht beantworten. Aber ich bin mir sicher, dass sie für viele, die dran vorbeigehen, ein willkommener Frühlingsgruß im grauen April ist.